Schnell werden und frisch bleiben durch HIT

Schnell werden und frisch bleiben durch HIT

„Am Ende musst Du stark sein“, sagte Dave Scott, der sechsmalige Sieger des Ironmans auf Hawaii. Am Ende also. Was bedeutet das für die jetzige Zeit? Aktuell befinden wir uns in der Corona-Pandemie, am Ende einer nicht stattgefundenen Wettkampfsaison. Mir war nicht bewusst, dass ein Virus oder besser die Angst vor einem Virus, unsere Gesellschaft derartig entgleisen lassen kann. Im April war ich fit wie nie zuvor in meinem Leben. Bis auf Schwimmen habe ich weiter trainiert. Vermutet hatte ich es bereits: Als dann die offizielle Absage des Ironman Switzerland kam, habe ich mit dem Leistungssport von einer auf die andere Trainingswoche aufgehört und einige Wochen rausgenommen.

Einerseits habe ich mich in meiner Freiheit stark eingeschränkt gefühlt. Andererseits habe ich mich arrangiert und die Zeit für andere wichtige Dinge genutzt.

In der Aufbauphase macht es Sinn den Grundlagen trainierten Körper zu stärken und für den Wettkampf vorzubereiten (Froboese,2016, S. 8-9). Intensitäten und Belastungen sind dabei entsprechend von der jeweiligen Distanz abhängig. In diesem Jahr konnte ich mir den Aufwand sparen, denn ich wurde nicht mit einem Wettkampf entlohnt. Schließlich ist das wettkampfspezifische Training körperlich belastend und zeitaufwendig. Was trainiere ich jetzt am sinnvollsten. Die Jahrespause habe ich bereits gemacht. Für Grundlagentraining ist es im August zu früh….

Keine Grundlagen. Keine Wettkampfvorbereitung. Was bleibt also für einen Langstreckentriathleten offen? Dinge, wofür ich mir sonst keine Zeit nehme, treten wieder in den Vordergrund. Ich will meine alte fünf-Kilometer-Laufzeit von 2015 auf der Straße neu definieren. Damals lief ich 17:55min. Ich trainierte kaum Intervalle und lief viele Wettkämpfe, um schnell zu werden. Diesmal möchte ich vor allem durch Training im anaeroben Bereich schnell werden. Auf dem Rad trainiere ich außerdem ähnlich, um meine Spritzigkeit zu behalten. Das bedeutet, wenig Umfangsbelastung mit hohen Intensitäten. Erkennst Du den Vorteil?

Also am Ende stark? Bedeutet für mich nächstes Jahr im Juli beim Ironman Switzerland. Jetzt ist also Zeit, die Schnelligkeit zu erhöhen und den Körper dabei wenig zu belasten, um frisch zu bleiben. Kommen wir zum Thema:

Bei hochintensiven Einheiten werden große Anteile der phasischen Muskulatur (Antriebsmuskulatur) beansprucht (Cavelti, 2020). Deswegen macht es Sinn, mindestens einmal pro Woche so richtig Gas zu geben, damit Dein Körpergleichgewicht aufrecht erhalten bleibt oder Du dieses wiederherstellst. Phasische Muskulatur neigt bei statischem Verhalten zur Abschwächung. Hinzu kommt, dass die tonische Muskulatur (Haltemuskulatur) zu Verkürzung neigt.

Ein Muskel, welcher durch entsprechende Gelenkstellung verkürzt wird, spannt an. Auf Dauer wird dieser verkürzt. Der Antagonist – Muskel auf der gegenüberliegenden Seite – wird gedehnt. Somit löst er sich und schwächt bei dauerhafter Dehnung ab. Als Beispiel sei hier der Hüftbeuger (m. iliopsoas) mit Hüftstrecker (m. gluteus maximus) als Antagonist genannt. Sitzt du viel im Alltag, wird sich Dein Körper daran anpassen. Falls Du bei sitzender Tätigkeit kein Sitzer sein bzw. werden möchtest, dehne den Hüftbeuger mehrmals täglich wieder auf und trainiere ein bis zwei Mal wöchentlich hochintensives Laufen, um den Hüftstrecker zu benutzen und somit zu stärken.

Die Belastung bei hochintensiven Intervalleinheiten ist, in Bezug auf Kohlenhydratverbrauch und Belastungszeit, kleiner als bei Tempo- oder Schwelleneinheiten im Dauerlauf (aerob-anaerober Übergang). Merke: Belastung ungleich Intensität. Das liegt daran, dass Serien aus Intervallen mit Belastungspausen dazwischen trainiert werden. Bei Dauerbelastungen oder auch langen Intervallen an der Schwelle werden sehr viele Kohlenhydrate verbraucht. Am Anfang im Ausdauersport habe ich auf diese Weise versucht fit zu werden und es ging auch bis zu einer gewissen Grenze gut. Schon bald musste ich merken, dass erste chronische Verletzungen sich meldeten und ich irgendwie gegen eine Mauer lief und keine weiteren Leistungssteigerungen möglich waren.

Sobald die Kohlenhydratspeicher nahezu aufgebraucht sind, geht der Körper bei weiteren Belastungen im Schwellenbereich an seine Eiweißressourcen und startet mit der sogenannten Gluconeogenese, um weiterhin Energie bereitstellen zu können (Mader & Heck, 1991). Interessant ist es dabei zu erwähnen, dass wir Menschen in diesem Stadium anfangen, vermehrt zu energiedichten Nahrungsmitteln bzw. Produkten mit industrialisiertem Zucker zu greifen, welche den Körper auf Dauer eher zusätzlich belasten, statt Nutzen bringen. Warum das so ist, erzähle ich Dir in einem anderen Artikel. Im weiteren Verlauf des (Über-)Trainings werden Strukturen aufgebraucht, welche am wenigsten benötigt werden. Den Fachbegriff dazu nennt man Autophagie – sich selbst verzehren. Im Verlauf der Trainings werden weitere Strukturen aufgebraucht, welche für die Stabilität sorgen. Erste kleine Wehwehchen chronischer Art treten auf.

Wenn Du mit Tempo- und Schwelleneinheiten fit werden möchtest, benötigst Du lange Regenerationszeiten. Mit hochintensiven Intervallen kannst Du, vor allem beim Laufen, wo es neben den Kohlenhydratspeichern auch um Belastung durch hohen Impact geht, schneller fit werden.

Der Begriff „Tempohärte“ oder auch „Stehvermögen“ sind nicht biologisch ableitbar und somit auch nicht trainingswissenschaftlich ableitbar (Mader, 2015). Beachte, dass Autophagie in Ruhephasen beim Fasten regenerative Prozesse in Gang setzt. Durch Übertraining werden hingegen Stresshormone freigesetzt, um den Belastungen standzuhalten. Dies ruft katabole (abbauende) Wirkungen hervor. Regenerative Prozesse sind zu diesem Zeitpunkt größtenteils ausgesetzt.

Es geht darum, das System hochzufahren und an hohe Intensitäten anzupassen. Der Körper wird mit Nährstoffen, anabolen (aufbauenden) Hormonen und Sauerstoff gespült. Aber Achtung: Durch die Intensitäten kann der Stresslevel bei HIT sehr schnell ansteigen. Es wird ein großer Trainingseffekt erzeugt. Die Gefahr des Übertrainings steigt somit schnell an. Periodisiere smart! Außerdem sollte der Athlet zuvor ein paar Jahre Grundlagen trainiert haben, um eine gewisse Stressresistenz aufzuweisen. In meinem Umfeld habe ich auf diese Weise schon mehrere neue Athleten „hochgehen“ sehen, welche im Anschluss den Ausdauersport komplett verlassen haben. Ich war auch mal einer von ihnen. Glücklicherweise habe ich einen Weg zurückgefunden. Beginne mit kurzen Belastungszeiten und steigere über viele Jahre.

Im Ausdauersport herrscht heutzutage teilweise immer noch der Glaube: „viel hilft viel“. Für erfolgreiche Sportler hat sich allerdings das polarisierte Trainingsmodell durchgesetzt. Neulich habe ich in einem Podcast gehört, dass unsere Vorfahren, zu Jäger- und Sammlerzeiten vermehrt gewandert sind und nur bei der Jagd hohe Intensitäten abgerufen haben. Im polarisierten Trainingsmodell geht es darum, tendenziell mittlere Intensitäten zu reduzieren, um

  • der muskulären Erschöpfung vorzubeugen,
  • die Glykogenspeicher in Muskel und Leber zu schonen und
  • Dein VO2max signifikant zu steigern.

Schließlich geht es um Reizsetzung in der Einheit. Je nach Sportart, Distanzen und individuellem Befinden kannst Du Deine Intensitäten zeitlich in etwa wie folgt verteilen (Stöggl & Sperrlich, 2015):

  • 85-90% Training unterhalb der anaeroben Schwelle => ca. bis zu 75% VO2max
  • 5% Training im aerob/anaeroben Übergangsbereich => ca. 75-90% VO2max
  • 5-10% Training oberhalb der anaeroben Schwelle => ca. über 90% VO2max

Deine Gelenke sind übrigens froh, wenn sie bewegt und moderat belastet werden. Denn nur so werden sie mit aufbauenden Nährstoffen versorgt. Bei Gelenkproblemen regle die Belastung runter und Bewegung rauf. Im Zweifelsfall habe ich in früheren Verletzungszeiten Nordic Walking und Aquajogging betrieben, um verletzungsfrei zu werden. Im Aquajogging lassen sich übrigens sehr gut Intervalle trainieren.

Aber zurück zum eigentlichen Sinn vom hochintensiven Intervalltraining (verkürzt HIT). Es gab wenige Momente im Leben, in denen ich mich wirklich fit gefühlt habe. Nach jeder HIT-Einheit merke ich, dass ich mich in die richtige Richtung bewegt habe, um da wieder hin zu kommen. Falls ich mal nicht ausreichend regeneriert bin, ist meine körperliche Wahrnehmung während der Intervalle derart stark, dass ich direkt entscheiden kann, ob das nächste Intervall stattfinden wird. Es ist ein riesiger Vorteil HIT zu trainieren, wenn man richtig schnell richtig fit werden möchte.

Sicherlich fragst Du dich jetzt, wie die Intervalle im Detail aussehen. Dafür habe ich Dir folgendes vorbereitet:

Es soll Dir Anfangs als Orientierung dienen, um Dir Ideen fürs Training zu geben. Nimm die Anreize, höre bei jeder Einheit in den Körper hinein und plane Deine Einheiten entsprechend. Ich fahre ganz gut damit, wenn ich bei mehreren HIT-Einheiten in einer Disziplin pro Woche, einmal anaerob intermittierende Intervalle und einmal VO2max Intervalle trainiere. Neuromuskuläre Intervalle habe ich nur der Vollständigkeit halber gelistet. Diese kannst Du in Ausdauereinheiten mit einbauen, um die Fettverbrennung (Senkung der VLamax) anzuregen (Bock, 2020). Aber achte auf die Regeneration.

Jetzt gilt es nur noch zu klären, wie Du HIT in Dein Training integrierst. Eigentlich ist es ganz einfach: Ich trainiere Blockweise drei Wochen lang, etwa zwei bis drei HIT-Einheiten pro Woche. Jede vierte Woche nutze ich, um zu regenerieren und für Tests, um die Leistung für den nächsten Block festzulegen.

Etwa drei bis viermal im Jahr baue ich HIT-Wochen mit bis zu sechs HIT-Einheiten in mein Training mit ein. Dabei handelt es sich um die Vorbereitung der Saison oder auch die erste Woche der Grundlagenphase (Rønnestad, Hansen & Ellefsen 2014). Mehr HIT-Wochen plane ich aus regenerativen Gründen nicht ein. Eine HIT-Woche kannst Du vorteilhaft in die erste Woche eines Blocks einplanen. Woche zwei und drei sind dazu da, um durch die akkumulierte Ermüdung der ersten Woche weitere aufbauende Prozesse im Körper zu generieren (Issurin 2010). Du trainierst also in Woche zwei und drei nach der HIT-Woche ein bis zwei weitere HIT-Einheiten. Woche vier ist zum Regenerieren und Testen da. Der Trainingseffekt eines HIT-Blocks ist signifikant höher als, der eines „Standardblocks“ mit gleicher Anzahl an HIT-Einheiten auf die Wochen verteilt. Siehe die HIT-Böcke zusammengefasst in folgender Tabelle:

Anzahl HIT-Einheiten„Standardblock“HIT-Block
1. Woche2-35-6 (1-2 Schwimmen)
2. Woche2-31-2
3. Woche2-31-2
4. WocheRegeneration und TestsRegeneration und Tests

Am Ende musst Du stark sein – jetzt darfst Du schnell sein. Worauf wartest Du? Move, move, move!

Falls Du für nächste Saison große Ziele hast und Du Dein Potential entfalten möchtest, unterstütze ich Dich gerne. Schreib mich an und wir vereinbaren ein Beratungsgespräch für die nächste Saison.

Quellen

Frohboese, I. (2016) Running & Health: Kompendium gesundes Laufen, Walking & Nordic Walking. Abgerufen 05.08.2020, von https://www.ingo-froboese.de/wp-content/uploads/2016/09/Running_Health.pdf, S. 8-9

Spomedial () Regenerationstraining  Abgerufen 07.08.2020 von http://vmrz0100.vm.ruhr-uni-bochum.de/spomedial/content/e866/e2442/e6328/e6550/e6641/e6667/index_ger.html

Cavelti, M. (2020) Muskuläre Dysbalance. Abgerufen 04.08.2020, von http://lernpfad.bgs-chur.ch/e-sport/gesundheit/dysbalance.php

Mader, A. & Heck, H. (1991). Möglichkeiten und Aufgaben in der Forschung und Praxis der Humanleistungsphysiologie. Spektrum der Sportwissenschaften

Mader, A. (2015) Die Chimäre des Dopings und die Irrealität der Trainingswissenschaft: Das deutsche Hochleistungssportsystem als Staatsreligion oder warum deutsche Sportler nicht mehr so erfolgreich sind, wie sie sein könnten. Berlin: Buchwerkstatt Berlin

Stöggl, T. L. & Sperlich, B. (2015). The training intensity distribution among well-trained and elite endurance athletes. Frontiers in Physiology

Bock, N. (24. Mai 2020) VO2max und VLamax: Wichtige Parameter im Radsport und Triathlon. Abgerufen 04.08.2020, von https://pushing-limits.de/sport/vo2max-und-vlamax-wichtige-parameter-fuer-triathleten-und-ausdauersportler/

Issurin, V. B. (2010). New horizons for the methodology and physiology of training periodization. Sports Medicine (Auckland, N.Z.)

Rønnestad, Hansen & Ellefsen (2014) Block periodization of high-intensity aerobic intervals provides superior training effects in trained cyclists. Scandinavian Journal of Medicine & Scince in Sports